Leistungen
Sortierung nach vorgegebenen Toleranzen
Anspruchsvolle Dichtungstechnik mit O-Ringen: mit engeren Toleranzen noch leistungsfähiger
Anspruchsvolle Dichtungstechnik mit O-Ringen: mit engeren Toleranzen noch leistungsfähiger
Der O-Ring hat den Nachweis als leistungsfähiges und preiswertes Dichtelement vielfach erbracht, zum Beispiel als Nebendichtung in einer Gleitringdichtung der Speisewasserpumpe eines Kernkraftwerkes oder als Abdichtung an einer lösbaren Einschraubverbindung für PKW-Klimaanlagen. Es ließen sich viele weitere Beispiele dafür aufzählen, wo O-Ringe höchsten Anforderungen an die Dichtheit gerecht wurden, und das bei den unterschiedlichsten Medien und Temperaturen von -60°C bis zu 300 °C. O-Ringe sind gut am Markt verfügbar, leicht zu montieren und erfordern nur einfache Einbauräume. Gerade deshalb ist es für Konstrukteure ärgerlich, wenn O-Ringe als Dichtelemente für eine Problemlösung ausscheiden, weil deren Maße zu arg streuen. Das Ausweichen auf andere Dichtungen kommt dem Anwender dann in der Regel erheblich teurerer.
Insbesondere beim Einsatz kleinerer O-Ringe stellen die gängigen Toleranzen nach DIN 3771 Teil 1 eine erhebliche Einschränkung bezüglich ihrer Verwendbarkeit dar.
Dieser Aufsatz zeigt die Gründe für herstellungsbedingte Maßstreuungen von O-Ringen und schildert die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Funktion. Er beschreibt ein neues, hochgenaues optisches Messverfahren für O-Ringe, das als Dienstleistung für das Messen und Sortieren nach engen Toleranzen neu angeboten wird.
Wodurch entstehen die Maßschwankungen bei O-Ringen?
Für die Maßschwankungen gibt es drei hauptsächliche herstellungsbedingte Einflussfaktoren:
- Schwankungen der Werkzeug-Temperaturen bei der Vulkanisation der O-Ringe
- Streuungen im Schwundverhalten des Kautschuks und anderer Mischungsbestandteile
Werkzeugversatz infolge des erforderlichen Durchmesserspieles der Führungsbolzen, der durch Verschleiß mit der Laufzeit des Werkzeuges noch zunimmt. - Die Schwankungen der Temperaturen können insbesondere bei der Herstellung aus großen Werkzeugen innerhalb des gleichen Lieferloses zu starken Streuungen der Durchmessermaße führen. Aber auch bei sehr gut temperaturgeführten Prozessen wie sie in kleinen Spritzwerkzeugen möglich sind, kann es durch chargenabhängige Streungen der Mischung und durch geringe losabhängige Temperaturunterschiede im Werkzeug zu deutlich messbaren Schwankungen bei den Innendurchmessern von O-Ringen kommen.
Für das in der Regel wichtigere Funktionsmaß von O-Ringen, nämlich der Schnurstärke, gibt es einen weiteren wesentlichen Einflussfaktor, nämlich den Werkzeugversatz. Bild1 verdeutlicht durch eine einfache Draufsicht auf einen O-Ring (obere Formhälfte = rot, unter Formhälfte = türkis), wie durch den Versatz von Ober- und Unterhälfte Schnurstärkenschwankungen an einem O-Ring auftreten können. Während an neuen Spritzwerkzeugen dieser Versatz in der Regel kleiner als 0,05 mm ist, kann dieser verschleißbedingt deutlich größer werden, und darf nach DIN 3771 Teil 4 ( Form- und Oberflächenabweichungen von O-Ringen) schnurstärkenabhängig zwischen 0,08 und 0,15 mm betragen.
Die oben beschriebenen drei Einflussfaktoren haben letztlich zu den Maß-Toleranzen gemäß DIN 3771/Teil 1 (Bild 2) geführt, nach denen auch die meisten O-Ring Hersteller liefern. Schwierig ist es, Lieferanten für O-Ringe zu finden, die diese Toleranzen deutlich einschränken (und dies auch halten). Dies wäre insbesondere für kleine O-Ringe sinnvoll, da diese aus der Sicht des Anwenders zu großzügig toleriert sind. Ein Vergleich von zwei Normgrößen veranschaulicht dies. Der O-Ring mit den Maßen (Innendurchmesser x Schnurstärke) 2,0+/-0,13 × 1,80 +/- 0,08 hat im Vergleich zum O-Ring 20+/-0,22 × 3,55+/-0,1 deutlich ungünstigere Toleranzen. Während diese beim kleinen O-Ring +/-6,5 % vom Innendurchmesser und +/-4,4 % von der Schnurstärke betragen, liegen diese beim größeren O-Ring mit +/-1,1 % vom Innendurchmesser und +/-2,8 % von der Schnurstärke deutlich günstiger. Dieses Verhältnis wird noch ungünstiger bei der Verwendung kleinerer Schnurstärken,zum Beispiel von 1mm, da sich die Herstellertoleranzen nicht mehr wesentlich verringern.
Der Einfluss der Streuung von Schnurstärke- und Innendurchmessertoleranzen auf das Funktionsverhalten von O-Ring Dichtungen
Die Dichtwirkung von O-Ringen beruht auf der Erzeugung einer Flächenpressung durch die Verformung der O-Ring-Schnurstärke. Da Gummi-Werkstoffe sich nicht ideal elastisch verhalten, benötigen O-Ringe Mindestverformungen von ca. 6% der Schnurstärke . Bei einer Unterschreitung dieses Wertes nimmt insbesondere bei kleinen Schnurstärken die bleibende Verformung sehr schnell 100 % an. Typische Werte für Verpressungen der Schnurstärken bewegen sich bei einer radial dichtenden statischen Abdichtung zwischen 20 % und 29 % und bei einer bewegten Abdichtung zwischen 12 % und 22 % [1], jeweils bezogen auf eine O-Ring-Schnurstärke von 1,78 mm bei einem Nenn-Durchmesser von 20 mm und einer konzentrische Lage der abzudichtenden Bauteile. Berücksichtigt man zusätzlich die maximal mögliche Exzentrizität, kann sich dieser Streubereich je nach der Größe des Durchmesserspieles noch weiter verbreitern.
Da die Reaktionskräfte des verformten O-Ringes progressiv über die relative Verformung verlaufen [2], siehe Bild 3, bedeutet das für das obige Beispiel einer bewegten Abdichtung ein Verhältnis der maximalen zur minimalen Verformungsbeziehungsweise Reibungskraft von ca. 3:1.Wegen dieser möglichen Streuung scheiden O-Ringe für viele dynamischen Anwendungen infolge der großen Toleranzen als Dichtungslösung aus. Für statische O-Ring Anwendungen bedeuten diese typischen Streuungen der Verformungskräfte toleranzabhängige Dichtflächenpressungen, die einen erheblichen Einfluss auf die Leckrate der O-Ring-Verbindungen haben [3]. Da statisch eingesetzte O-Ringe aber in der Regel deutlich stärker als dynamisch eingesetzte O-Ringe verformt werden, stellt dieser Effekt in der Praxis oft keine unvertretbare Einschränkung dar.
Bessere Meßtechnik – der erste Schritt hin zu engeren Toleranzen
Die O-Ring Norm DIN 3771 schreibt im Teil 2 vor, dass O-Ringe bezüglich des O-Ring Querschnitts berührungsfrei zu messen sind, allerdings bleibt die Anzahl der Messpunkte offen. Unter Berücksichtigung des Einflusses des Werkzeugversatzes (Bild 1) kann sich ein sinnvoller Messwert für die radiale Schnurstärke nur aus einer Mittelwertsbildung möglichst vieler Einzelwerte über den gesamten Umfang ergeben. Für den Innendurchmesser werden gemäß DIN 3771 Messungen mithilfe von konischen Messdornen und Stufendornen zugelassen. Für kleine O-Ringe ist dieses Verfahren sicherlich in Bezug auf die Genauigkeit und Wiederholbarkeit ungeeignet.
Eine speziell für das Messen von O-Ringen entwickelte Mess- und Sortiermaschine wurde jetzt vom Prüflabor Richter in Betrieb genommen. Durch die Kombination einer mit einem Lineartrieb steuerbaren Zeilenkamera mit einem drehbaren Messtisch aus Glas ist es möglich, O-Ringe , aber auch andere Dichtungen berührungsfrei von 0 bis ca. 400 mm Innendurchmesser sehr genau zu vermessen, die Bilder 4 und 5 zeigen das Messprinzip für kleine und große O-Ringe. Gemessen werden kann neben dem Außen- und dem Innendurchmesser die Schnurstärke beziehungsweise die Wandstärke.
Im Vergleich zu bereits existierenden Messmaschinen gehen Unrundheiten infolge der Biegeschlaffheit der Dichtungen nicht als Messfehler mit ein. Durch die Auswertung von mehreren tausend Messpunkten über den Umfang und die anschließende Auswertung mittels eines zum Patent angemeldeten Auswerteverfahrens ist durch das berührungsfreie Erfassen der Prüflinge eine äußerst gute Reproduzierbarkeit und hohe Genauigkeit der Messung gegeben. Als Ergebnis der Messung bekommt man neben dem Innen- und Außendurchmesser den Mittelwert und die punktuellen Kleinst- und Größtwerte der Schnurstärke. Damit gewinnt man sichere Angaben über die Funktionalität des O-Ringes, da auf diese Weise auch erhöhter Versatz und Grat aufgespürt werden. Wesentlich an diesem Messverfahren ist auch, dass es sich für Abmessungen bis 25mm Außendurchmesser fast im Sekundenrhythmus durchführen lässt und durch eine Ausblasvorrichtung eine Sortierung nach Gut- und Schlechtteilen damit auch kostengünstig realisierbar ist. Aber auch große Dichtungen lassen sich innerhalb von wenigen Sekunden vermessen. Aus Standard O-Ringen entstehen so durch die Zuordnung von einzelnen Messergebnissen oder die Einschränkung der Toleranzen hochpräzise Dichtelemente.
Realisierbare Toleranzen für kleine O-Ringe
Der Fortschritt der Technik hat sicherlich auch bei der Produktion von kleinen O-Ringen nicht Halt gemacht. Sei es bei der Präzision bei der Fertigung von Spritzwerkzeugen oder deren rheologischen Auslegung durch Berechnungsprogramme, sei es bei der Temperaturführung der Spritzmaschinen durch den Einsatz von Mikroprozessoren oder durch die Anwendung verfeinerter Entgratungsverfahren. All dies macht es möglich, dass zwischenzeitlich eine sehr enge Normalverteilung bezüglich der Funktionsmaße von O-Ringen machbar ist, siehe Bilder 6 und 7. Eine Überprüfung von handelsüblichen NBR-O-Ringen verschiedener Lieferanten (Innendurchmesser < 20 mm) zeigte, dass mehr als 90 % der geprüften O-Ringe deutlich engeren Toleranzen entsprachen. Sinnvolle Toleranzen, das heißt, dass über 90 % der Teile entsprechen sollen, können danach bei dem Mittelwert der radialen Schnurstärke bei +/- 0,03 mm und beim Innendurchmesser bei +/- 0,05 mm bezogen auf das Nennmaß liegen. Dies setzt natürlich voraus, dass das Spritzwerkzeug genau für das gewünschte Mittelmaß und den verwendeten Gummiwerkstoff ausgelegt ist, und der nach DIN 3771 maximal zulässige Wert für den Werkzeugversatz nicht voll genutzt wird. Durch diese Einengung der Toleranzen kann der mögliche Streubereich der Verpressung der Schnurstärke deutlich eingeschränkt und damit der Einsatzbereich dieser O-Ringe insbesondere für dynamische Anwendungen wesentlich erweitert werden.
Messen und Sortieren als Dienstleistung
Ein von einem O-Ring Spezialisten gegründetes Dienstleistungsunternehmen bietet unter anderem das Vermessen und Sortieren von O-Ringen und anderen Dichtungen nach vorgegebenen Toleranzen nach dem oben beschriebenen Messprinzip im Lohnverfahren an. Die Sortierung ist wegen der schnellen Messung auch für große Losgrößen wirtschaftlich anwendbar.
Darüber hinaus bietet das Prüflabor Richter alle typischen Prüfverfahren für die Qualifikation von neuen Dichtungen und die Wareneingangsprüfung von Serienteilen an. Eine lieferantenunabhängige Beratung und Schulung kann helfen, gute Dichtungslösungen schnell zu finden , Entwicklungszeiten zu verkürzen und sinnvolle Bestellvorschriften abzufassen. Durch den Einsatz moderner Prüftechnologien verbunden mit dem Wissen um die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Gummiwerkstoffe können wirtschaftliche Dichtungslösungen auch für spezielle Anwendungen gefunden werden.
Literaturverweise
[1] inPHorm, PC-Programm zur Berechnung und Auswahl von O-Ringen, Parker Dichtungen [2] Dale Patterson, More Tips for Seal Design: Effects of Cross-Section Compressive Forces, Firmenschrift Greene Tweed [3] Klaus Scheerer, Einfluss der mechanischen Eigenschaften von O-Ringen auf deren Verhalten in Miniatur-Dichtverbindungen, Dissertation Universität Stuttgart